Sozialkunde Jahresbericht 2022/2023

„Wir haben eine politische Generation, die heranwächst!“

Es ist ein Kennzeichen unserer vernetzten Welt, dass ein Ereignis irgendwo auf der Welt enorme Auswirkungen auf Menschen auf einem ganz anderen Kontinent haben kann. Wer hätte 2019 gedacht, wegen eines Marktes im chinesischen Wuhan einmal sehr viel Zeit im eigenen Wohnzimmer verbringen zu müssen.

Doch hier soll es nicht schon wieder um das Coronavirus gehen, sondern um die Ängste und Sorgen der Generation, die ihre Berufsausbildung an unserer Schule absolviert und der wir Lehrer neben der Vermittlung fachtheoretischer Inhalte auch allgemeinbildende Inhalte mit auf den Weg geben wollen.

Um ein mündiger Staatsbürger zu werden ist es unerlässlich, sich in gesellschaftliche Fragestellungen „einmischen“ zu wollen und zu können. Das lässt sich aber nur mit entsprechendem Wissen um gesellschaftliche Zusammenhänge erfolgreich bewältigen. Antworten auf Krisen findet nur jemand, der in der Lage ist, in demokratischen Prozessen verantwortungsvoll zu handeln. Hier versuchen wir im Fach „Politik und Gesellschaft“ strukturelle Grundlagen zu legen, um mit dem notwendigen Wissen eigene politische Vorstellungen artikulieren zu können.

Es ist keine Schwäche, sondern eine Stärke unserer Demokratie, dass um die Ergebnisse dieser Handlungsabwägungen gerungen und dass immer neu geprüft werden muss, ob alle ergriffenen Maßnahmen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen und vor der Zentralnorm des Schutzes der Menschenwürde (aller Menschen, auch außerhalb der eigenen Grenzen) und der gerechten Lastenverteilung Bestand haben können.

Demokratie ist nicht etwas, auf das wir Anspruch haben, sondern etwas, das in Anspruch nimmt. Demokratie ist also eine Zumutung, weil sie andauernder, emphatischer Zuwendung bedarf.

Sie, die Demokratie, lebt auch im schulischen Bereich von Teilnahme und Teilhabe, von Verpflichtung und Verantwortung. Viel bequemer ist es natürlich, wenn ein vermeintlich starker Mann durchregiert, wenn man sich nicht allzu viele Gedanken machen muss. Ein Rückzug auf konfliktfreie Bereiche, eine Bedingung für ein ruhiges, angenehmes Leben, ist eine Entpolitisierung der Schulgemeinschaft, dies gilt erst recht für eine Arbeitnehmervertretung.

Mit dem Versprechen einer radikalen Reduktion von Komplexität locken die Feinde der Demokratie. Sie locken mit Unfreiheit, mit einfachen Antworten und einem vermeintlichen „sich schon kümmern“ um die schwierigen Fragen.

Streit, bzw. Auseinandersetzung ist aber konstitutiv für Erkenntnis - auch in der Schule – für das Ringen darum, wie es Wilhelm von Humboldt einmal ausgedrückt hat, etwas zu finden, das sich nie ganz auffinden lässt.

Neben den aktuellen Krisen, wie dem Krieg in Europa, der uns unmittelbar betrifft, ist es eine seit Jahren bekannte und leider ungelöste Klimakrise, die uns und unsere jugendlichen Schüler momentan schon deutlich und in Zukunft noch in viel stärkerem Maße betreffen wird.

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Bild: Pixabay

Ausdruck findet diese Krise u.a. in den Aktivitäten der oftmals abwertend als „Klimakleber“ bezeichneten Gruppe „Letzte Generation“. Auch wenn die teils radikalen Aktionsformen, die manchmal die Straftatbestände der Nötigung bzw. Sachbeschädigung erfüllen, selten breite gesellschaftliche Zustimmung finden, lässt die Radikalität der Aktionen, bei der die Aktivisten strafrechtliche Konsequenzen für sich in Kauf nehmen, auf die subjektive Ernsthaftigkeit ihres Anliegens schließen.

Unabhängig davon oder gerade wegen vieler ähnlicher, weniger radikaler Aktionen in der Vergangenheit hat sich die Dringlichkeit notwendiger gesellschaftlicher Veränderungen im Bewusstsein der meisten Deutschen und erst recht bei vielen Jugendlichen festgesetzt. Da Tier-, Umwelt- und Klimaschutzthemen in den letzten Jahren in den Familien und auch in den Schulen zunehmend thematisiert werden, ist das eine nachvollziehbare Entwicklung. Dieses „neue“ Bewusstsein zeigt sich auch in der Überzeugung immer mehr Jugendlicher, sich vegetarisch/vegan zu ernähren, um damit dazu beizutragen, das Töten von Tieren zu vermeiden und gleichzeitig einen geringeren CO2-Fußabdruck zu hinterlassen.

Für die schnelle Erwärmung der Erde, wie wir sie derzeit erleben, sind mehrere Faktoren verantwortlich. Doch vor allem setzt dabei das CO2 dem Klima zu.

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Bild: Pixabay

Um den CO2 - Ausstoß wirksam zu verringern, müssen wir uns in Zukunft davon lösen, fossile Energien zu verfeuern und wir müssen umweltgerechter produzieren, weniger transportieren, weniger CO2-schädlich reisen – und dabei hoffen, dass die Erderwärmung in einem beherrschbaren Rahmen bleibt. Dabei erfordert dieses Wunder im Gegensatz zu religiösen Wundern aber Taten. Es reicht nicht, wenn man nur daran glaubt, man muss handeln.

Die G20-Länder, darunter Deutschland, verursachen aktuell ungefähr 80 Prozent der globalen Emissionen. Mit seinen hohen historischen Emissionen insbesondere seit der industriellen Revolution und als ehemalige Kolonialmacht trägt Deutschland eine besondere Verantwortung als einer der Mitverursacher der Klimakrise. Daher muss Deutschland bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen vorangehen und stark betroffene Länder dabei unterstützen, Klimaschutzziele zu erreichen und sich an die Klimakrise anzupassen.

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Bild: Dr. Klaus Uwe Gerhardt_pixelio.de

»Macht euch die Erde untertan«: Vor rund 3000 Jahren legte ein unbekannter Autor seinem vermeintlichen Schöpfer diesen Satz in den Mund. Damit war die Idee geboren, dass der Mensch eine Sonderstellung auf der Erde einnimmt und deren Ressourcen rücksichtslos ausbeuten darf.

In seiner Universalgeschichte der Umwelt erzählt der Schriftsteller Philipp Blom in seinem Buch „Die Unterwerfung: Anfang und Ende der menschlichen Herrschaft über die Natur“ die Geschichte der Unterwerfung der Natur, deren Konsequenzen die Menschheit heute an den Rand des Abgrunds führt. Am Beginn des 21. Jahrhunderts muss der Mensch wohl einsehen, dass: „… der Homo sapiens kein besonders wichtiger Organismus ist, der das Schicksal seines Heimatplaneten nur vorübergehend beeinflusst, davor und danach regieren die Mikroben, für die Säugetiere wenig mehr sind als Trägerorganismen.“

Diese Schlussfolgerung zu akzeptieren, dürfte uns als an Illusionen gewöhnte Spezies sehr schwerfallen. Aber es bleibt noch „Hoffnung“: „Die Selbsttäuschung beherrscht der Mensch noch sicherer als die Lüge.“ (Fjodor Dostojewski)

Bis zum Verschwinden der Menschheit bleibt aber noch viel zu tun, zum Beispiel diesen Artikel für den Jahresbericht zu schreiben, der ja auch einen Überblick über das vergangene Schuljahr, insbesondere über das sozialkundliche Geschehen an unserer Schule geben will und nicht Weltuntergangsstimmung verbreiten möchte.

  • DGB-Jugendtour

Im März besuchte uns die Deutsche Gewerkschaftsjugend, um junge ArbeitnehmerInnen und Ausbildungsplatzsuchende vor Ort über ihre Rechte in der Ausbildung zu informieren. Der Ansatz „Jugend für Jugend“ senkte dabei die Hemmungen der SchülerInnen, mit den DGB-Vertretern zu diskutieren. Erleichtert wurde der Zugang durch gemischtgeschlechtliche DGB-Teams, da sich die SchülerInnen häufig geschlechtsspezifisch identifizieren.

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  • Schulkinowoche

Die SchulKinoWoche Bayern verwandelte Kinosäle des Cineplex in Neumarkt in Klassenzimmer. Der Kinobesuch mit der Klasse stand dabei nicht nur für das gemeinschaftliche Erleben eines Films, sondern auch für das Entdecken des Kinos als Kulturort. Mehrere Klassen nutzten die Gelegenheit, bewegte Bilder zu sozialpolitischen Themen zu „lesen“, also zu entschlüsseln und zu hinterfragen.

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  • Lernort Staatsregierung

Der Informationstag "Lernort Staatsregierung" gab den Schülerinnen und Schülern der Klasse WBA 11 im April die Möglichkeit, sich vor Ort über die Aufgaben und Arbeitsweisen des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege in Nürnberg zu informieren. Die Jugendlichen konnten „vor Ort“ einen Einblick bekommen, wo Politik gemacht wird und wie der politische Entscheidungsprozess abläuft.

 

  • Weltflüchtlingstag (Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage)

In der Woche vom 19. Juni bis 23. Juni fanden verschiedene Veranstaltungen im Rahmen des Netzwerkes „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ statt. Öffentlichkeitswirksamster Teil dieser Veranstaltungswoche war sicher der „Flashmob“ auf dem LGA-Gelände, an dem auch andere Neumarkter Schule teilnahmen.

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 Bild: Robert Bergemann

Daneben gab es am Beruflichen Schulzentrum verschiedene Workshops des DoKuPäds Nürnberg, eine Ausstellung der Friedrich-Ebert-Stiftung Regensburg, Filme zum Thema und Vorträge, die von vielen Schülern besucht wurden. Allen Beteiligten herzlichen Dank für das große Engagement!

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Bild: Pixabay

  • Ausstellung „Organspende schenkt Leben“

Die Ausstellung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, die bei uns im Juli in der Eingangshalle gezeigt wurde, wollte vor allem auf folgende Punkte zur Organspende eingehen:

    • Meilensteine der Transplantationsmedizin
    • Informationen zur Lebendspende,
    • die Darstellung des Ablaufs einer postmortalen Organspende,
    • Zahlen und Fakten zur Organspende,
    • allgemeine Informationen zum Organspendeausweis.

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Parallel dazu fand eine Typisierungsaktion der DKMS, organisiert von Frau Sozialpädagogin Stella Cwik, statt.

Vielen Dank allen aktiven Mitgliedern der Lehrerschaft für die Bereitschaft und den Willen, das Wissen über Politik und Gesellschaft ein klein wenig zu stärken. Vielen Dank auch an die vielen Schüler, die sich aktiv für das sozialkundliche Geschehen an unserer Schule interessieren.

Thomas Trappe, StD

Fachbetreuer Politik und Gesellschaft (PuG)

 

PS: Hinweise eines Lehrers (Geburtsjahr: letztes Jahrhundert) an seine Kollegen zur politisch un-korrekten Kommunikation im Unterricht:

In vielen Klassen sind seit ein paar Jahren jeweils drei neue Mitschüler ohne Nachnamen, die nicht auf Klassenlisten auftauchen, sie heißen Alder, Digga und Bro.

Sätze enden nicht mehr mit einem Satzzeichen, sondern mit der Erwähnung dieser neuen Mitschüler. „Vallah!“

Lehrer werden mit „... was geht?“ begrüßt, unangenehme Arbeitsanweisungen sind „voll behindert“ aber sonst ist alles „stabil“. Sicher „Digga“!

Ich glaube, ich bin „lost“! „Mashallah“!

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Sozialkunde Jahresbericht 2021/2022

Alle Staatsgewalt geht von Neumarkt aus!

Wir mögen es schon bald nicht mehr hören, aber Corona beschäftigt einfach – und immer noch das Berufliche Schulzentrum Neumarkt. Das letzte Jahr war erneut geprägt von vielen Verzichten und Umstellungen, gleichzeitig aber auch von einer gewissen, neuen Normalität. So ungewöhnlich es erschien, aber die Schulgemeinschaft hat sich an das „Maske tragen“, das regelmäßige Lüften, die morgendlichen Tests und die vielen anderen Begleiterscheinungen fast schon gewöhnt.

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Zeichneten sich bei Redaktionsschluss dieses Jahresberichts vorsichtige Coronalockerungen im Schulbetrieb ab, so beschäftigt uns seit kurzem ein Ereignis, das erneut vieles Andere, so wie Corona vor zwei Jahren, in den Hintergrund drängt:

Der Krieg in der Ukraine. Für die meisten von uns hörte die emotionale Landkarte knapp hinter der Uckermark auf, man schüttelt besorgt den Kopf über die Wahlergebnisse in Ostdeutschland und die Menschenrechtslage im EU-Mitgliedsstaat Polen, und dahinter begann – zumindest unserem emotionalen Wissen nach – bereits Russland. Seit Dezember letzten Jahres rückt die Ukraine auch bei der breiten Bevölkerung als eigenständiger Staat mehr ins Bewusstsein, erst recht seitdem der Ukrainekrieg unsere Nachrichtensendungen dominiert.

Ganz nebenbei: Was ist mit unserer Anteilnahme an dem Krieg in Syrien?

Von Jerzy Strzelecki Eigenes Werk CC BY SA 3.0 httpscommons.wikimedia.orgwindex.phpcurid40127252 1

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Wie aber gelingt es solche Konflikte in einer Art und Weise zu vermitteln, die dem Begriff „Sozialkunde“ gerecht werden? Wie politisch dürfen Lehrkräfte dabei sein? Wie können Schüler hier zu einem eigenen Urteil kommen?

Auch wenn mancher Leser jetzt vielleicht denkt: „Na, bei dem Ukrainekonflikt ist doch klar, wer der Aggressor ist und wer sich verteidigt“, ist es überaus wichtig, dass Schüler selbst zu ihrem Urteil kommen können. Es gilt also nicht durch gutgemeinte Lautsprecherdurchsagen vorzugeben „Wir sind für die Ukraine“ oder „Wir sind für Russland“, sondern es gilt die SuS zu befähigen, aufgrund von ausgewogenen Unterrichtsinhalten zu einer persönlichen Einordnung des politischen Inhalts zu gelangen.

Grundvoraussetzung dafür ist die Fähigkeit der politischen Urteilsbildung, denn nur wer in der Lage ist, sich selbstständig ein eigenes, abwägendes Urteil in politischen Fragen zu bilden, kann als mündiger Bürger oder mündige Bürgerin in einer demokratischen Gesellschaft agieren.

Doch wie schafft man das und was müssen politisch Bildende dabei beachten?

Antworten darauf findet der Beutelsbacher Konsens. Er gibt seit 1976 den Handlungsrahmen für die politische Bildungsarbeit vor – und das, obwohl er nie formell beschlossen wurde, sondern „lediglich“ das Protokoll einer Tagung von Politikdidaktikern im schwäbischen Beutelsbach war. Ziel der Tagung war es zu klären, wie man eine parteipolitische Vereinnahmung der politischen Bildung gerade in Zeiten einer hohen gesellschaftspolitischen Polarisierung verhindern kann. Heraus kam ein Minimalkonsens, der allerdings bis heute große Wirkung auf die politische Bildungslandschaft entfalten konnte.

Im Beutelsbacher Konsens werden folgende drei Grundprinzipien als Voraussetzung für eine gelingende politische Bildung in einem demokratischen Umfeld formuliert:

Überwältigungsverbot

Das Überwältigungsverbot gibt vor, dass es Lehrkräften nicht erlaubt ist, Schülerinnen und Schüler mit einer Meinung zu überrumpeln oder sie in eine Richtung zu drängen und so an der Bildung eines selbstständigen Urteils zu hindern. Hier ist die Grenze von politischer Bildung zur Indoktrination überschritten, was der Zielvorstellung der politischen Mündigkeit widerspricht.

Das Gebot der Kontroversität

Das Kontroversitätsgebot ist eng mit dem Überwältigungsverbot verknüpft. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Verschiedene Meinungen und Perspektiven müssen dargestellt werden. Werden hingegen unterschiedliche Standpunkte und Sichtweisen gezielt unterschlagen oder ausgeblendet, ist der Weg zur Indoktrination wiederum beschritten. Die politische Meinung der Lehrkraft sollte unerheblich bleiben.

Das Prinzip der Schülerorientierung

Schülerinnen und Schüler müssen in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und ihre eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne der eigenen Interessen zu beeinflussen.

Die Einhaltung dieser drei Prinzipien ist in der Praxis eine anspruchsvolle Aufgabe, die es den Sozialkundelehrern ständig abverlangt, sich zu hinterfragen und eigene Herangehensweisen in Frage zu stellen, denn „Politiklehrer“ befinden sich ständig im Spannungsfeld aus eigener Meinung und Kontroverse.

Wie aber gelingt es ganz generell Urteilsbildung und Demokratie fortzuentwickeln? Trauen wir uns mehr Demokratie zu wagen? Kann es mehr demokratische Prozesse im schulischen Kontext geben? Trauen wir uns einen Schritt nach vorne zu gehen? Erfordert das Mut? Wenn ja, kann man „Mut“ messen?

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Quelle: Pixabay

Wie mutig ist es, in den Hauptnachrichten des ersten russischen Fernsehkanals ein Plakat gegen den Ukrainekrieg in die Kamera zu halten? Wer von uns hätte, wie die Journalistin Marina Owsjannikowa, Tochter eines Ukrainers und einer Russin, diesen Mut gehabt? Dort stand auf Russisch „Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen.“ Wer von uns wäre bereit gewesen, seine ganze materielle und berufliche Existenz für einen „Moment der Wahrheit“, für Meinungsfreiheit aufs Spiel zu setzten?

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Quelle: Pexels Photograph Ana Tis

Wenn man sich die mutigen Russen anschaut, die gegen den Krieg auf die Straße gehen und dabei die Festnahme riskieren, relativieren sich die Vorwürfe der sogenannten Querdenker in Deutschland, die bei der ungehinderten Wahrnehmung ihres Demonstrationsrechtes absurderweise behaupten, man dürfe in Deutschland nicht mehr seine Meinung äußern.

Das Problem, inwieweit demokratische Entscheidungsprozesse auch in Subsystemen zugelassen sind – sein können -, wird auch in unserer eigenen Gesellschaft deutlich.

Ein System, das sich über Jahrhunderte demokratischen Tendenzen erfolgreich widersetzte ist die katholische Kirche in Deutschland. Das katholische Führungspersonal ist Männersache - aus Sicht des weltlichen Arbeitsrechts eine grundrechtsverletzende Männer-Domäne. Etwa 1,2 Milliarden katholische Gläubige in aller Welt unterstehen einem rein männlichen Kleriker-Kartell.

Das Machtzentrum ist dabei an Papst, Kardinäle und Bischöfe gebunden, die auf nationaler Ebene in Deutschland von allen Steuerzahlern aufgrund eines 220 Jahre alten Vertrages mitfinanziert werden. In dem sogenannten Reichsdeputationshauptschluss von 1803 beschlossen die deutschen Fürsten die Enteignung kirchlichen Vermögens. Dafür verpflichteten sie sich im Gegenzug als Entschädigungsleistung zur Finanzierung der Seelsorger.

Obwohl das Grundgesetz bzw. die Weimarer Verfassung die Ablösung dieser Zahlungen seit langem fordert, finanzieren die deutschen Steuerzahler, unabhängig davon, ob sie gläubig sind oder nicht, u.a. die Bischofsgehälter, die je nach Rang nach aktueller Besoldungsordnung monatlich 10.000 bis 13.000 Euro betragen. Insgesamt kommt dabei rund eine halbe Milliarde Euro pro Jahr zusammen.

Sie, die Führungsspitze allein interpretieren die verbindlichen Lehrgrundlagen, setzen sie um in kirchliche Dogmen und kirchliche Gesetzgebung. Alle Gläubigen haben ihnen zu folgen und gehorsam zu sein – umgekehrt sind die Kirchenmänner ihren gläubigen Laien in kaum einer Weise rechenschaftspflichtig. Ein eindeutiges Machtverhältnis: Laien haben zu beten und zu hoffen, Kirchenmänner bestimmen und entscheiden. Von Demokratie mag man hier nicht sprechen.

Doch es gibt Bewegung in der katholischen Kirche. Kirchlich gebundene und organisierte Gläubigkeit schwindet, das beweisen die rückläufigen Mitgliederzahlen. Das hat mit aktuellen Missbrauchs- und Finanzskandalen zu tun, aber auch mit einem Menschenbild, das an Überzeugungskraft verliert.

Ein „hin zu mehr demokratischen Forderungen von unten“ ist nicht zu übersehen.

Engagierte Laien wie die katholische Frauenbewegung „Maria 2.0“ wollen endlich Änderungen, Mitsprache und Transparenz - demokratische Tugenden. Sie wollen sich nicht mehr mit den üblichen "Dialog"-Inszenierungen befrieden lassen, wo in "gemeinsamen Beschlüssen" Partizipation simuliert wird, ihnen aber in Wahrheit nur eine unverbindliche Meinungsäußerung eingeräumt wird. Dort, bei dem sogenannten „synodalen Weg“ – so der Professor für Kirchenrecht an der Universität Bonn Norbert Lüdecke beinahe ketzerisch – lassen sich "engagierte Laien auf ein betreutes Diskutieren ein, bei dem sie sich in den ohnehin überschaubaren Debattenphasen noch von liturgischen Feiern und sogenannten 'EinHalten' unterbrechen lassen."

Hoffen wir, dass diese Gesprächsangebote im Rahmen des „synodalen Weges“ und die Ausrufung von Offenheit und Teilhabe nicht nur als klerikale Marketing-Strategien benutzt werden und sich das Subsystem Kirche traut, mehr Mitbestimmung zu wagen.

Zweiflern sei Seneca angeraten: „Nicht, weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, wird es schwer.“

Einen kleinen Fortschritt – weg von dogmatischen Inhalten, hin zu mehr Offenheit bzgl. anderer Glaubensvorstellungen - kann man sicher auch im Bereich unserer Berufsschule erkennen, wo seit geraumer Zeit evangelische und katholische Schüler im Rahmen eines Schulversuchs zusammen beschult werden, auch wenn die eigentlichen Gründe ursächlich in stark zurückgehenden Zahlen auf Seiten der gläubigen Schüler und dem Nachwuchsmangel bei den verkündenden Priestern (männlich) bzw. Laien/Laiinnen liegen.

Demokratische Prozesse einzuüben ist eine wichtige Aufgabe schulischer Bildung. Wer unter 18 Jahre alt ist, durfte bei der Bundestagswahl im Herbst 2021 noch nicht wählen. Im Grundgesetz steht aber : „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Weiter heißt es da: „Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (…) ausgeübt.“ Die in diesem Schuljahr an unserer Schule durchgeführten Juniorwahlen boten deshalb auch Minderjährigen die Möglichkeit, die Demokratie trotzdem schon zu erproben. Parallel zur Bundestagswahl fanden die Neumarkter Juniorwahlen deshalb am 26. September 2021 am Beruflichen Schulzentrum statt. Für kurze Zeit galt: Alle Staatsgewalt geht von Neumarkt aus! Hier ist das Ergebnis vom „Wahlabend“:

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Das Ziel politischer Bildung ist die Stärkung der Demokratie. Sie ist deshalb ein wichtiger Bestandteil einer freien, offenen Gesellschaft. Ihr Fundament ist das Werte- und Demokratieverständnis des Grundgesetzes, die freiheitliche demokratische Grundordnung. Sie hat zwar parteipolitisch neutral zu sein, ist aber nicht wertneutral. Dies wird auch sehr deutlich im neuen Sozialkundelehrplan, der seit diesem Schuljahr umzusetzen ist. Politische Bildung soll dabei Menschen dazu befähigen, sich an demokratischen Prozessen zu beteiligen.

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Quelle: Pixabay

Grundsätzlich müssen wir lernen, dass wir für demokratisches Verhalten in unserem Umkreis selbst verantwortlich sind. Das gilt im Klassenverband genauso wie im Lehrerzimmer. Die Stärke des Rechts muss über dem Recht des Stärkeren stehen. Wir tragen eine Verantwortung, die über unsere eigenen Interessen und die anderer Personen und deren Machtinteressen hinausreicht.

Wer das nicht versteht, trägt indirekt dazu bei, dass sich Machtstrukturen einer Gesellschaft bzw. eines Teilsystems verfestigen, die zur Folge haben, dass demokratische Strukturen insgesamt in Gefahr geraten. Gleichzeitig funktionieren die Strukturen nicht mehr so gut, weil ein Teil ihrer Kraft dazu verwendet wird, der Person an der Spitze zu gefallen.

Bundespräsident Steinmeier formuliert es so: „Welche andere Staatsform trägt in sich eine solche Kraft zur Erneuerung und stetigen Verbesserung – gerade weil sie Fehler und Korrekturen erlaubt? In einer Zeit, in der Autokraten und selbsternannte starke Männer immer selbstsicherer auf die Bühne treten, rate ich uns Demokratinnen und Demokraten zu dem gelassenen Bewusstsein: Die Stärke von Demokratien liegt nicht in ihrem Sendungsbewusstsein, sondern in ihrer Fähigkeit zur Selbstkritik und zur Selbstverbesserung“.

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Quelle:  Marko Kafé - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, httpscommons.wikimedia.orgwindex.phpcurid=102395390.jpg"

Es kann sein, dass wir aus einer konsequenten demokratischen Haltung gegenüber menschenrechtsverletzenden Staaten einen großen wirtschaftlichen Schaden erleiden, es kann aber auch sein, dass wir erkennen, was wirklich wichtig ist in unserem Leben, dass dieses ständige Wachstum eine absurde Idee einer Konsumgesellschaft auf Kosten zukünftiger Generationen ist. Die Auswirkungen der Klimaerwärmung werden jedes Jahr sichtbarer. Es ist an der Zeit zu erkennen, wie wenig wir tatsächlich brauchen, um ein sinnerfülltes Leben führen zu können.

Trappe, StD

Sozialkundefachbetreuer

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Sozialkunde Jahresbericht 2020/2021

„Ich bin Volker“

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„Die heiratsfähige Weiblichkeit bekam verklärte Augen, ihre Mütter nickten ihm wohlwollend zu, Knaben und Mädchen dienerten und knicksten ehrerbietig - denn er war Lehrer, ein Beamter – und man schrieb das Jahr 1900.“ (Aus „Winklers Flügelstift 1/98“)

Sein Einkommen war gering, doch „die Jacke des Staates war eng, aber warm“, seine in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse reichten für ein Berufsleben, und sein Ansehen stand hoch im Kurs.

Und heute, rund hundertzwanzig Jahre später, was ist geblieben von der Achtung, die man dem Lehrerberuf entgegenbrachte? Die Antwort lautet leider: Wenig. Täglich hört man, was in der Schule alles falsch läuft. Obwohl kaum jemand Lust hat, sich „mit den Kindern anderer Leute herumzuärgern“ (hat er doch mit den eigenen genug Schwierigkeiten), weiß jeder genau, was in der Schule alles falsch läuft. Schließlich ist auf diesem Gebiet jeder ein Experte – war er doch selbst mal Schüler.

Was ist geblieben von den Inhalten aus dem Sozialkundestudium? Auch hier lautet die Antwort: Wenig. Wenig deswegen, weil das Fach Sozialkunde, im Gegensatz zu einem Fach wie Mathematik – unsere Mathematiklehrer mögen es mir verzeihen - mit seinen vielen Facetten bzw. Inhalten permanenten gesellschaftlichen Anpassungsprozessen unterliegt und sich deswegen ständig inhaltlich verändert.

Die Gefahr besteht dabei jeweils, dass einzelne plötzlich auftauchende Themen zu viel Raum gewinnen, während andere wichtige Themen in den Hintergrund gedrängt werden. Ein Thema, das bewusst großen Raum in diesem Jahresbericht einnimmt, ist das Megathema „CORONA“, das uns seit dem Januar 2020, natürlich auch an unserer Schule, begleitet.

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Die Folgen dieser Pandemie greifen so fundamental in unser soziales und politisches Miteinander ein, dass vehement vorgetragene Überzeugungen zum richtigen Umgang mit den sich ergebenden bzw. geleugneten Problemen zu einer unversöhnlichen Spaltung einzelner Gruppen bzw. letztendlich auch großer Teile der Gesellschaft führen kann. Das betrifft im unterrichtlichen Austausch auch unseren Mikrokosmos Berufsschule, der von einzelnen Kolleg*innen sicher zu Recht mit dem miniaturisierten Abbild der Gesellschaft verglichen wird.

Sich anschließende Stichworte in unserer Schule waren Distanzunterricht, Wechselunterricht, Präsenzunterricht, homeoffice, lockdown, Infektionsschutzgesetz, Coronamaßnahmen, Maskenpflicht, Schnelltests, Quarantäne, Hygienekonzepte, Angemessenheit, Schüler- und Lehrergesundheit und, und .... .

All das sind Begriffe, die vor dem 27. Januar 2020, dem Tag des ersten offiziell bestätigten Covid-19-Falls in Deutschland, schlichtweg kaum bzw. gar nicht vorkamen im Vokabular der Schulgemeinschaft.

Politische Angebote, wie sie in den vergangenen Jahren im Beruflichen Schulzentrum stattfinden konnten, mussten plötzlich zum Erliegen kommen. Gemeinschaft im Sinne von „politischen Veranstaltungen“ bei denen man mit Mitmenschen unterhalb des sog. Mindestabstandes zusammentraf, mussten tunlichst vermieden werden.

Gleichzeitig galt es, die Ängste und Bedenken im Unterricht zu thematisieren.

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So manche Äußerung von Querdenkern, die die Corona Maßnahmen der Regierung und manchmal sogar die Existenz des Virus selbst infrage stellen, wurde angesprochen.

Wie spricht man dabei eigentlich mit sogenannten Querdenkern, ohne ständig missverstanden zu werden? Das Satiremagazin Postillon hat dazu die gebräuchlichsten Begriffe vom Deutschen ins Querdenkerische übersetzt:

Imp|fung: Zwangsverchippung

Co|ro|na: Harmlose Erkältung

Co|ro|na-Be|richt|er|stat|tung: Panikmache

Co|ro|na|to|te: traurige Folge globaler Hysterie und Panikmache

an: mit; Er starb mit Corona; Schau mich nicht so blöd mit!

mit: egal

20.000: 1,3 Millionen, vielleicht sogar 2,7 Millionen Demonstranten

Bruch|teil der Be|völ|ke|rung: das Volk; Wir sind das Volk!

Rest der Be|völ|ke|rung: Schlafschafe, Antifa

lü|gen, Tat|sa|chen ver|dre|hen: aufwecken

Ja|na aus Kas|sel: Sophie Scholl

...

Für einen Sozialkundelehrer sind neben diesen unsäglichen Sinnverdrehungen wohl zwei dieser „Übersetzungen“ gänzlich unerträglich.

Die Äußerung einer Jana aus Kassel, die ihren „Kampf“ gegen die „Coronadiktatur“ mit dem Widerstand einer Sophie Scholl gegen den Nationalsozialismus gleichsetzt, ist eine schier unglaubliche Anmaßung.

Die Verwendung des bei dem im Vorfeld der Wiedervereinigung durch mutige, ostdeutsche Demonstranten geprägten Rufes: „Wir sind das Volk“ bei einer Anti-Coronademonstration in Berlin, ist sicher nur durch die satirische Antwort eines einzelnen Gegendemonstranten, der ein Pappschild hochhielt mit der Aufschrift „Ich bin Volker“, zu ertragen.

Gleichzeitig gilt es im Unterricht den weit verbreiteten Verschwörungstheorien und Falschinformationen diverser sozialer Medien zu begegnen. Ein gerauntes "Is so, hab ich im Internet gelesen", ersetzt in vielen Gesprächen Logik und Vernunft. Ein kurzer Text, eine Mischung aus Verschwörungstheorie und Satire kann vielleicht als „Türöffner“ dienen, um im Unterricht ins Gespräch zu kommen.

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Satire kann dabei der Unterhaltung dienen, häufig wird Satire auch als eine Kritik von unten (Bürgerempfinden) gegen oben (Repräsentanz der Macht) verstanden. Dabei kann Satire aber nie den Anspruch des „besser Machens“ liefern und wird deshalb oft als „zu einfach“ oder „misslungen“ bzw. „beleidigend“ verstanden.

Ein paar Beispiele wie Satire das „Bürgerempfinden“ in Bezug auf die Maßnahmen der „Macht“ aufgreifen kann, hat das Satiremagazin „Postillion“ im März 2021 mit den folgenden Schlagzeilen geliefert:

25.03.2021: „EU erwägt, Impfstoff künftig nicht mehr per Schildkröte auf Mitgliedstaaten zu verteilen.“

04.03.2021: „Strategiewechsel: Bürger sollen durch komplizierte Lockerungen so verwirrt werden, dass sie lieber zu Hause bleiben.“

Durchaus auch mit Bezug zu unseren Ausbildungsberufen und eng an Überschriften der Bildzeitung angelehnt, textete der „Postillion“:

01.03.2021: „Bundesweit 27.000 Ohren abgeschnitten, weil Friseure 4 Monate lang nicht üben konnten.“

Ob Satire allerdings überwiegend das alleinig richtige Mittel ist, Schüler auf diesem herausfordernden Weg zu begleiten, mag man mit Recht bezweifeln. Aber wenn man Dinge überspitzt, werden sie oft klarer auf den Punkt gebracht und schaffen Raum für einen anschließenden Austausch. Es gilt dabei auch den Blick zu lenken - weg von der wahrzunehmenden Ohnmacht, die manchmal die Erklärung für hasserfüllte Äußerungen sein kann - hin zu durchaus positiven Begleiterscheinungen (ohne den Anspruch des „Gutmenschentums“ erfüllen zu wollen) der momentanen Krise.

Die Menschen haben erkannt, dass sie sich nur selbst schützen können, wenn sie sich auf andere verlassen können. Diese gesellschaftliche Erkenntnis ist eine aktuelle Begründung von Solidarität, die seitdem in der Welt ist und sich hoffentlich weiterentwickelt. In seinem Buch zum Thema Solidarität schreibt der Soziologe Heinz Bude dazu am Schluss: „Man weiß den Gewinn der Solidarität nur zu ermessen, wenn man die Einsamkeit kennt“.

„Und wenn Sie an morgen denken, was fällt Ihnen da ein?“

Karl Valentin: „Hoffentlich wird es nicht so schlimm wie es schon ist! Aber ich habe keine Furcht, es sei denn, ich bekäme Angst“.

Angesichts der aktuellen Debatten und Konflikte in unserem Gemeinwesen, angesichts zunehmender Verschwörungstheorien und Spaltungsversuchen und einer immer komplexeren politischen Situation in der Welt ist politische Bildung wichtiger denn je, nicht nur, aber auch - wegen Corona.

Thomas Trappe

Sozialkundefachbetreuer

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Jahresbericht Sozialkunde 2019/2020

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Nichts ist so beständig wie der Wandel.

Wer hätte jemals gedacht, dass soziale Distanz zur Voraussetzung für soziales Denken wird, oder wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrückt, „Abstand gleichzusetzen ist mit Fürsorge“. Zum Zeitpunkt dieses „Jahresrückblickes“ ist die „Coronakrise“ in vollem Gange und sorgt für gesellschaftliche Verhältnisse, deren Folgen momentan weder auf gesellschaftspolitischer noch auf wirtschaftlicher Seite abzusehen sind. Die Epidemie macht sichtbar, wie verletzlich unser vernetztes soziales System ist.

Dass der Weg aus der Krise über das Gegenteil sozialer Vernetzung, der “sozialen Distanz“ führt, macht das Ganze paradox. Um die Globalisierung zu retten, braucht es Rückzug, Ruhe und Geduld.

„Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir vom Krisenmodus zurück in den Alltagsbetrieb kommen. (...) Jede Krisenzeit bietet letztendlich der Generation, die sie zu bewältigen hat, eine Chance, daraus Lehren zu ziehen und sich weiter zu entwickeln - sonst würde es die Menschheit heute nicht mehr geben“, so fasste es Regierungspräsident Axel Bartelt Ende März als Regierungspräsident der Oberpfalz zusammen.

Was wird das sein, was wir aus dieser Krise lernen werden? Vor allem wohl, dass es uns ohne Virus-Epidemie verdammt gut geht und wir im Gegensatz zu vielen anderen Ländern das große Glück haben, ein sehr gut ausgebautes Gesundheitssystem zu besitzen. Vielleicht werden wir uns auch daran erinnern, dass die wertvollsten Erlebnisse die waren, in denen wir ohne „Alltagsstress“ mit unseren Familien zusammen waren? „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, so hat Martin Buber es einmal beschrieben.

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Oder wird es wie so oft in Rückblicken eine Verklärung bzw. „Glättung“ der Vergangenheit geben und die Denkanstöße, die wir in dieser Zeit bekommen haben, schnell vergessen sein?

Nach der Finanzkrise im Jahr 2008 konnte man Ähnliches beobachten: Einige Wochen lang haben alle gesagt: "Oh, alles, was wir wirtschaftlich für wahr gehalten haben, stimmt ja gar nicht!" Man hat grundsätzliche Fragen gestellt: Was ist Geld? Was sind eigentlich Schulden? Aber irgendwann hat man plötzlich entschieden: "Halt, wir lassen das jetzt wieder. Lasst uns so tun, als sei das alles nie passiert! Lasst uns alles wieder so machen wir vorher!"

David Graeber, ein Anthropologe an der London School of Economics stellte in diesem Zusammenhang fest, dass uns „die allergrößte Krise noch bevorsteht“, der Klimawandel. „Wir standen die ganze Zeit auf den Gleisen und ein Zug kam uns direkt entgegen. Und jetzt hat uns jemand brutal von diesen Gleisen gestoßen, das tut weh und ist schrecklich. Aber das Dümmste, was wir tun könnten, wenn wir wieder auf die Beine kommen: Uns wieder zurück auf die Gleise stellen, wo der Zug auf uns zurast!“

Auch wenn der wirtschaftliche Einbruch jetzt wahrscheinlich zu einer kurzfristigen Annäherung an die Klimaziele führt, bleibt Fakt, dass der Klimawandel weiter seinen Lauf nimmt. Eine Krise macht die andere nicht weg oder kleiner. Wirtschaftliche Einbrüche ersetzen niemals eine vernünftige Klimaschutzstrategie.

Das Ausmaß der finanziellen Auswirkungen der „Coronakrise“ auf die Stabilität des gesamten europäischen Finanzsystems lässt sich noch gar nicht absehen.

Von der aktuellen Krise in den Hintergrund gedrängt worden ist das Thema Migration, ein bis heute kaum gelöstes „Megathema“ der Europäischen Gemeinschaft. Man kann nur hoffen, dass die überwiegend jüngeren Flüchtlinge die schwerwiegenden medizinischen Folgen dieser Pandemie nicht noch zusätzlich zu ihrer eh schon desolaten Lebenssituation schultern müssen.

Zur Bewältigung all dieser Krisen bedarf es eines breiten gesellschaftlichen Konsenses. In einer freiheitlichen Gesellschaft ist selbstverständlich niemand zum Mitmachen gezwungen. Ohne Mitmacher allerdings verschwindet die freiheitliche Gesellschaft irgendwann. Offenbar haben viele, auch im Mikrokosmos Schule verlernt, was eine Debatte ist und wie sie funktioniert: Menschen oder Gruppen mit verschiedenen Meinungen tauschen sich aus, um eine gemeinsame Lösung zu finden, meist in Form eines Kompromisses. Das Schweigen der moderaten Mehrheit erschwert dies allerdings. Auch Gleichgültigkeit gefährdet demokratische Strukturen.

Wir müssen deshalb mehr Demokratie wagen, bereit sein für einen gesellschaftlichen bzw. schulischen Diskurs wie wir uns unsere Zukunft vorstellen. Für viele Systeme gilt, dass eine Kultur, in der ein Mann an der Spitze von Untergebenen ständig Loyalitätsbeweise erwartet, statt zum Widerspruch zu ermuntern, die Probleme eher noch verstärkt.

Schüler, aber auch Lehrkräfte sollen sich also „einmischen“ in den gesellschaftlichen und schulischen Prozess des „Miteinanders“. Lehrer sollen erziehen zum Nachdenken über die eigenen Angelegenheiten, zum Mut des Widerspruchs. „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ fordert alle Mitglieder der Schulgemeinschaft auf, Mut zu zeigen die eigenen Anschauungen zu vertreten. Mit ein paar kleineren Veranstaltungen versuchte der Fachbereich Sozialkunde, hier Anregungen zu geben und idealerweise politisches Interesse bzw. Engagement anzustoßen.

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Im Herbst 2019 hatte die Klasse WBA 11 im Rahmen des Projekts „Lernort Staatsregierung“ die Möglichkeit, das Bayerische Heimatministerium zu besichtigen (siehe Extrabericht). Dabei hatten wir die Gelegenheit, mit Finanzminister Albert Füracker zu sprechen.

Am 04. März besuchte die „DGB Jugend“ im Rahmen ihrer bayernweiten Berufsschultour die Berufsschule Neumarkt. Dabei nutzten einige Klassen die Möglichkeit, einen Vertreter der Gewerkschaftsjugend in eine Sozialkundestunde einzuladen, der dann zu gewerkschaftlichen Themengebieten wie z.B. arbeits- und tarifrechtliche Fragen, Gegenwart und Zukunft der Gewerkschaften ... referierte.

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"In den USA können Google und Facebook das Wahlergebnis um 10% in eine Richtung verschieben!", mit diesem Zitat von Robert Epstein beschrieb Michael G. Möhnle bei seinem Vortrag mit dem Thema: „Die digitale Revolution: Leben, lernen und arbeiten in einer digitalen Welt“ die sozialkundliche bzw. gesellschaftliche Relevanz des Themas Digitalisierung.

Herr Möhnle war mit Unterstützung der Hanns-Seidel-Stiftung nach Neumarkt zum „Digital Day“ gekommen um den Schülern der verschiedenen Fachklassen die technische und gesellschaftliche Relevanz des Jahrhundertthemas „Digitalisierung“ näher zu bringen (siehe Extrabericht).

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Dass das Thema Digitalisierung nur einen Monat später im Brennpunkt pädagogischen Handelns stehen sollte, ahnte zu diesem Zeitpunkt niemand. Die Schließung der bayerischen Schulen ab dem 16. März hatte zur Folge, dass vom einem auf den anderen Tag der gewohnte analoge Schullalltag zum Stillstand kam und von digitalen Methoden ersetzt werden musste. Sicher kann digitalisierter Unterricht den Präsenzunterricht nicht ersetzen, in den jetzigen Zeiten ist er aber ein ad­äquates Mittel größere Defizite zu vermeiden.

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Am 11. Oktober besuchte uns Herr Thomas Lukow auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung zu zwei Vorträgen über das Mauersystem zwischen Deutschland und Berlin (siehe Extrabericht). Was manche Erwachsene noch selbst miterlebt haben, ist für Jugendliche Geschichte von gestern: die Teilung Deutschlands und das Nebeneinander zweier komplett unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Systeme während des Kalten Krieges. Vor allem über die DDR wissen Jugendliche nur wenig. Umso wichtiger ist es, Zeitzeugen zu finden, die ihre Erfahrungen mit dem System der DDR auch in Zukunft in vergleichbaren Veranstaltungen weitergeben können.

Zum Schluss möchte ich mich wieder besonders bedanken bei der Religionsabteilung für ihr „soziales Engagement“ bei der Unterstützung des Kinderhospizes in Bad Grönenbach/Allgäu und für die sensible Begleitung bei Todesfällen an unserer Schule.

Trappe, StD

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Jahresbericht Sozialkunde 2018/2019

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„Sozialkunde braucht kein Mensch“

Diese weitverbreitete Einschätzung junger Berufsschüler hält einer näheren Betrachtung in der Regel nicht stand. Erst recht nicht, wenn man den Arbeits- und Lebensalltag Erwerbstätiger in Deutschland betrachtet.

Das deutsche Grundgesetz ist dabei die „sozialkundliche“ Grundordnung des Zusammenlebens in Deutschland und umso bedeutsamer, als in einer immer vielfältiger werdenden Gesellschaft wie der deutschen, immer weniger Menschen kulturelle Wurzeln und Traditionen teilen.

Dass das, in diesem Jahr den 70. Geburtstag feiernde, deutsche Grundgesetz lebt, und immer wieder die aktuelle gesellschaftliche bzw. schulische Diskussion belebt, lässt sich an einigen Beispielen aus dem politischen Geschehen dieses Schuljahres belegen:

 

Grundgesetz Artikel 3 Absatz 3: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Die Kündigung eines Chefarztes durch ein katholisches Krankenhaus wegen seiner Scheidung und Wiederheirat ist unwirksam. Der katholische Arzt sei gegenüber seinen nichtkatholischen Kollegen unzulässig benachteiligt worden, so entschied das Bundesarbeitsgericht im Februar 2019 in Erfurt. Homosexuell, geschieden, nicht getauft – es gibt vieles, was der Kirche als Arbeitgeber nicht passt. Seit diesem Jahr muss auch sie sich auch an geltendes Arbeitsrecht halten.

Künftig werden also die vom Grundgesetz garantierten Rechte für Homosexuelle, Frauen, Unverheiratete und Geschiedene auch für Angestellte in kirchlichen Schulen, Krankenhäusern und Diakonien gelten „… und das ist gut so“.

Grundgesetz Artikel 15 : „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“

Dieser Artikel beschreibt die Möglichkeit Grund und Boden in Gemeineigentum zu überführen. Eine Möglichkeit, die bisher kaum zur Anwendung kam, eher der sozialistischen DDR zugeordnet wurde, und doch – einmal aktiviert – eine große Sprengkraft entfaltet. In der momentanen gesellschaftlichen Diskussion ist die Enteignung von großen Wohnungskonzernen angesichts der Tatsache, dass sich immer weniger Menschen die steigenden Mieten in Großstädten leisten können.

Grundgesetz Art 140 in Verbindung mit Art.138 Weimarer Reichsverfassung von 1919:

„Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.“

Diese jährlichen Staatsleistungen des deutschen Steuerzahlers an die Kirchen, im Jahr 2018 ca. 540 Millionen EUR, die nichts mit der Kirchensteuer zu tun haben, hätten eigentlich schon seit 100 Jahren abgeschafft werden sollen, so forderte es die Weimarer Verfassung und anschließend das Grundgesetz. Die Zahlungen überweist der deutsche Staat der evangelischen und katholischen Kirche aus Steuermitteln, als Ausgleich für Enteignungen des kirchlichen Besitzes nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Dass Ansprüche bestehen, ist wenig umstritten. Was aber Kritik erregt, ist die Tatsache, dass die verfassungsgemäßen Staatsleistungen seit 100 Jahren nicht abgelöst wurden, obwohl das Grundgesetz seit 1949 den klaren Auftrag dazu erteilt.

Gleichzeitig wird im gesellschaftlichen Diskurs zunehmend eine deutlichere Trennung von Staat und Kirche gefordert. So kommen sogar aus der Kirche selbst Vorschläge, die Kirchensteuer durch Alternativen zum derzeitigen Kirchensteuermodell zu ersetzen. Damit hat sich der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke zu Wort gemeldet, der, verursacht durch den Finanzskandal in seiner Diözese mit einem Verlust von 47 Millionen EUR, einen massiven Vertrauensverlust in das Finanzgebaren der Kirche sieht.

Diese gesellschaftliche Aktualität von sozialkundlichen Inhalten spiegelt sich am beruflichen Schulzentrum Neumarkt in sozialkundlichen Projekten wieder, die den Schülern den Zugang zu politischen Inhalten erleichtern und die Wichtigkeit des Fachs Sozialkunde für das eigene Leben verdeutlichen sollten.

Eröffnet wurde das Jahr mit der „virtuellen“ Teilnahme an der Landtagswahl im Herbst 2018. Hier beteiligten wir uns an dem Projekt U18. Ziel dieses Projekts war es, die zukünftigen Erstwähler, also Minderjährige, daher der Name U18, auf echte Wahlen vorzubereiten, damit sie den eigenen politischen Willen formulieren und in eine konkrete Wahlentscheidung umsetzen können.

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Wie stellt man eigentlich die Stromversorgung eines ganzen Dorfes sicher? Und wie schafft man es gleichzeitig den CO2-Ausstoß zu senken, den Flächenverbrauch zu vermindern und die Nahrungsmittelproduktion im Auge zu behalten? Und wie kann man dabei die unterschiedlichen Interessen in der Gesellschaft unter einen Hut bringen? Antworten auf diese Fragen konnten Schüler der Berufsschule in der Woche vom 12. bis zum 16. November durch das innovative Projekt „Energiespardorf Bayern“ des BUND Naturschutz finden. 

Das „Energiespardorf Bayern“ ist ein interaktives Modell einer durchschnittlichen bayerischen Gemeinde mit Wohnhäusern, Kleingewerbe und Landwirtschaft. Ebenso durchschnittlich ist der Energieverbrauch dieser Gemeinde. Bei dem Workshop mit dem Energiespardorf ging es nicht alleine um Energieaspekte, sondern auch um die Auswirkungen von Energienutzung auf Umwelt, Klima und Landschaftsbild.

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Am 18. Februar kam die DGB Jugend auf ihrer bayernweiten Berufsschultour zu uns an die Berufsschule. Dabei wurde die Möglichkeit genutzt, dass Vertreter der Gewerkschaft in Unterrichtsstunden kamen und zu gewerkschaftlichen Themengebieten (Arbeits- und tarifrechtliche Fragen, Gegenwart und Zukunft der Gewerkschaften ...) referierten.

Auf Einladung des Fachbereichs Sozialkunde besuchte uns am 25. Februar Herr Landrat a. D. Hans Schuierer und sein damaliger Mitstreiter gegen der Bau der atomaren Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackersdorf, Herr Wolfgang Nowak. (siehe Extrabericht) Begleitet wurden die beiden Herren von Frau Gertrud Heßlinger (zweite Bürgermeisterin der Stadt Neumarkt und damalige Aktivistin) und Herrn Johannes Wein aus Parsberg, der als Polizist die Aufgabe hatte, das Baugelände zu schützen.

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Vor mehreren Klassen aus verschiedenen Fachbereichen der Berufsschule Neumarkt wurden die Geschehnisse bei den Auseinandersetzungen um den Bau der WAA in den 1980er Jahren beleuchtet.

Am 27. Februar kam Herr Peter Bauch, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag, im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung zu zwei Vorträgen in das Berufliche Schulzentrum Neumarkt. 

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Er referierte zu dem Thema „DER BREXIT – QUO VADIS EUROPA“ vor insgesamt 150 Schülern. Zusammenfassend stellte er am Ende seines Vortrages fest, dass der Brexit letztlich der Wunsch nach Kontrolle sei - "... we want to have back control ..." - und damit der Schritt ist heraus aus Europa, hin zur Renationalisierung, eine bedenkliche Entwicklung, die sich auch in anderen Teilen Europas zeige.

Im März 2019 fand ein zweiwöchiges Projekt gegen Rassismus statt, das zu einem großen Teil von der Kollegin Dinauer organisiert und durchgeführt wurde (siehe Extrabericht). Dafür recht herzlichen Dank! Auch unseren Sponsoren herzlichen Dank für die Finanzierung dieses Projekts. So wurden wir auch unter anderem von der Bürgerstiftung Neumarkt unterstützt

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Die Vielfalt der Biographien und die Pluralisierung der Lebenswelten der Schüler ermöglicht es zu einem konstruktiven Umgang mit gesellschaftlichen Unterschieden in so einem Projekt anzuregen. Zugleich eigneten sich die alltäglichen Fragen und Konflikte, die sich in einer pluralistischen Schule zwangsläufig ergeben, für eine lebensweltnahe Gestaltung des projektbezogenen Unterrichts. In der Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Diversität sollten die Handlungs- und Urteilskompetenzen von Jugendlichen durch dieses Projekt gefördert werden.

Ein weiterer Aspekt des diesjährigen „Sozialkundejahrs“ waren die Europawahlen im Mai 2019. Wir beteiligten uns an dem Projekt Juniorwahl EUROPA 2109, das es sich zum Ziel gesetzt hatte, politische Bildung an weiterführenden Schulen und das Erlernen von Demokratie zu ermöglichen.

Die Juniorwahl ist in ein Konzept, das auf zwei Säulen basiert: Die erste Säule umfasst die intensive unterrichtliche Vorbereitung der Wahl, die die Lehrkräfte selbst in ihren Klassen durchführen. Die zweite Säule und Höhepunkt des Projektes stellt die dann möglichst realistisch simulierte Europawahl dar.

In der Aula unserer Schule wurde für 4 Wochen die Ausstellung „TODESOPFER RECHTER GEWALT SEIT 1990 gezeigt. Die Ausstellung basiert auf öffentlich zugänglichen Informationen, vor allem auf Zeitungsartikeln. Sie dokumentiert das Bild, das sich die Gesellschaft von den Opfern rechter Gewalt gemacht hat: Manche Fälle führten zu öffentlicher Empörung oder waren Anlässe politischer Kontroversen; von vielen der Toten jedoch wurde nie ein Foto veröffentlicht, von manchen noch nicht einmal ihre Namen.

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Die Ausstellung erinnert an diese 183 Menschen und thematisiert zugleich die anhaltende Verdrängung rechter Gewalt.

Leider fanden in diesem und im letzten Schuljahr keine Fahrten nach Berlin oder zu Gedenkstätten statt, was sicher auch seine Ursache in schulinternen Erfassungsmodi ausfallenden Unterrichts hat. Dies bedauere ich umso mehr, als diese Fahrten sowohl politisch als auch pädagogisch von überragendem Wert waren und sind.

Der Sozialphilosoph Oskar Negt hat den pädagogischen Anspruch an Schulen in einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen so formuliert: „Die Erfüllung von Bildungsnormen darf nicht das oberste Ziel der Schule sein, das Produzieren von Fachkräften nicht der alleinige Zweck. Wir brauchen junge Menschen, die nicht nur brav in der Spur laufen, sondern eigenständig denken und wieder zu träumen wagen.“

Einen kleinen Beitrag dazu versuchten die Sozialkundelehrer in diesem Jahr beizusteuern, dafür recht herzlichen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs.

Bedanken möchte ich mich auch bei der Religionsabteilung, den Schülern der Religions- und Ethikklassen und den Organisatorinnen des Weihnachtsbasars für ihr „soziales Engagement“ und für die großzügige finanzielle Unterstützung des einzigen bayerischen Kinderhospizes in Bad Grönenbach/Allgäu.

Einen ganz besonders wichtigen Beitrag leisteten in diesem Jahr wieder die Organisatoren der „Interkulturellen Woche“, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, Schüler aus „Flüchtlingsklassen“ mit Schülern aus „Nichtflüchtlingsklassen“ in Kontakt zu bringen um damit gegenseitige Vorurteile abzubauen. Vielen Dank!

Thomas Trappe, Sozialkundefachbetreuer

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